Boekvoorstelling: "Eyn guter Nachbar ist ein edel Kleynodt. Das Herzogtum Arenberg und die Grafschaft Blankenheim als Nachbarn"
terug naar overzichtDas Herzogtum Arenberg und die Grafschaft Blankenheim waren viele Jahrhunderte Nachbarn. Wie jede Nachbarschaft so erlebte auch das Nebeneinander der beiden Territorien Zeiten mit Höhen und Tiefen. Diese wechselvolle Zeit ist nun das Thema einer Schrift. Sie trägt den Titel
Eyn guter Nachbar ist ein edel Kleynodt
Das Herzogtum Arenberg und die Grafschaft Blankenheim als Nachbarn
Seine Durchlaucht Herzog Leopold von Arenberg
und Dr. Peter Neu, der Autor der Schrift,
stellen das Buch vor der Öffentlichkeit
am 11. November 2022, 16.00 Uhr
im Eifelmuseum Blankenheim, Ahrstraße 55.
www.blankenheim.de/de/freizeit/kultur/museen/das-eifelmuseum/
Das Buch fußt auf jahrelangen Studien in den Archiven Enghien, Koblenz, Duisburg, Brüssel u.a. Es schildert vor allem das Leben der Untertanen in beiden Territorien. Manches, was uns heute anekdotenhaft erscheint oder was Kopfschütteln hervorruft, war vor Jahrhunderten bitterer Ernst und zeigt ein nicht immer leichtes Leben in einer Welt, in der es in den Wälder der Eifel bis ins 18. Jahrhundert keine genauen Grenzen gab. Streit um Besitz und Nutzungsrechte vergiftete oft jahrelang das Zusammenleben.
Das Herzogtum Arenberg – Nachbar der Grafschaft Blankenheim
DURCHLAUCHT, meine sehr geehrten Damen u. Herren !
Wer in Blankenheim über Geschichte sprechen soll, der findet hinreichend Stoff in der gewiss reichen Geschichte Blankenheims. Aber was weiß man in Blankenheim schon vom einstigen Nachbarn, dem Herzogtum Arenberg?
Über Nachbarn spricht man zwar immer – das kennen wir –über Nachbarn zu sprechen aber kann schwierig sein.
Ich will also die Gelegenheit nutzen, vielleicht zunächst einige Sätze über das benachbarte Herzogtum und die Geschichte der Herzöge von Arenberg zu sagen. Das könnte zwar ein abendfüllendes Thema werden, aber ich will mich bemühen, in 10 Minuten einen kurzen Überblick zu geben
Dazu habe ich einige Karten bzw. Bilder hier angebracht, um das zu veranschaulichen, was ich sehr kurz halten will.
Ein Herzogtum mitten in der einst so armen Eifel – das ist und war schon immer etwas Besonderes.
Die Anfänge des kleinen Territoriums Arenberg und der dort regierenden Familie lassen sich bis ins 12. Jahrhundert – also bis in die Zeit Kaiser Barbarossas lückenlos zurückverfolgen.
Die ersten Besitzer der Arenburg waren gewiss keine reichen Leute, – ähnlich wie die frühen Blankenheimer Burgherren. Die Beziehungen zwischen den Nachbarn waren – um es kurz zu sagen – wechselhaft, wie es halt zwischen Nachbarn so ist.
Die Nachbarn waren vom selben Stand, seit dem 15. bzw. 16. Jhd durften sie sich Grafen nennen, dabei muss man wissen, dass die Blankenheimer diesen Titel vor den Arenbergern tragen durften.
Das Leben auf beiden Nachbarburgen war sicherlich ähnlich – auch noch um 1800. - Bornschlegel - der letzte Statthalter der Arenberger vor der Franz. Revolution - beschrieb die Situation auf seiner Burg damals: "Wir leben hier wie in der Türkei, wir verlieren unsere Haltung nicht bei der Toilette, wir verbringen die Abende nicht im Theater oder auf Bällen, im Gegenteil, wir arbeiten von früh bis spät, und wenn ich nicht arbeite, dann sitze ich zu Pferde."
Und wie es im Winter zuging, das beschrieb derselbe Herr Bornschlegel in einem Brief 1784 (7.12.) "Die Winde heulen jetzt so um den Berg, dass es selbst den Wölfen angst wird….Das ganze Haus ist seit drei Tagen voller Rauch und es ist eine schreckliche Kälte, so dass man sich zweimal überlegt, die Nase nach draußen zu strecken."
Was hier vor 250 Jahren über die Arenburg geschrieben wurde, galt auch für Burg und Schloss Blankenheim.
Die Besitzer der benachbarten Burgen kannten sich natürlich – mal besser, mal weniger gut – aber einmal alle paar Jahre trafen sie sich persönlich in festlicher Kleidung und mit Anhang in Köln, und zwar dann, wenn ein neuer Erzbischof oder Kurfürst in der Domstadt in sein Amt eingeführt wurde. Dann durften beide bei der Inthronisation vor dem Gewählten einherschreiten, der Blankenheimer trug den neuen Bischofsstab, der Arenberger schritt neben ihm und trug die neue Bischofsmütze zum Altar. Sie waren also – so würde man heute sagen – gleichberechtigt.
Wie aber – so muss man sich fragen – konnte es den Arenbergern gelingen, dass aus ihrer kleinen Grafschaft ein Herzogtum wurde, dass sie also einen Titel erhielten, der weitaus angesehener und höher war als der Titel des benachbarten Grafen in Blankenheim? Und das, obwohl das Arenberger Land immer kleiner als das Blankenheimer Land war und obwohl der Ort Aremberg weitaus kleiner und unbedeutender als Blankenheim war, das immerhin an einer alten Römerstraße lag. Blankenheim wird bereits 1464 als „Stat“ bezeichnet, 1570 als „Flecken“.-
Für das kleine Aremberg taucht der Name Stadt nie auf, es heißt allerdings auch im 15. Jahrhundert schon „Thal – Burger-thal“, eine Bezeichnung für einen Ort, der aber immerhin mehr als ein einfaches Dorf war.
Die Familie von Arenberg erreichte etwas, was den Nachbarn nicht gelang! Während die Manderscheid-Blankenheimer in der Eifel blieben und – vor allem im 15. u. 16. Jhd - eine Eifelburg nach der anderen erwarben – gingen die Arenberger einen anderen Weg: Sie fassten Fuß in den Niederlanden, vor allem dem heutigen Belgien. Dort stiegen sie rasch auf, sie erheirateten oder erwarben zahlreiche Herrschaften, wurden Burggrafen in Brüssel, Vögte in Lüttich, Vögte in Hesbaye, Vögte von St. Hubert in der Ardennen usw. usw. Das aber bedeutete: Sie kamen nur noch selten in die Eifel.-
Sie wurden Statthalter, Feldherren in den Niederlanden, das damals schon ein reiches, blühendes Land war. Sie standen im Dienste der Burgunder, der Spanier und später der Österreicher, als diesen die Niederlande zufielen. Eine Karte zeigt deutlich, wie klein die Eifelterritorien der Arenberger waren im Vergleich zu den zahlreichen Besitzungen, welche die Familie in den Niederlanden erwerben konnte.
Und die meisten dieser neuen Erwerbungen kamen – und das ist interessant, durch kluge Heiraten.
Für die Arenberger galt also schon früh der bekannte Spruch, den man den Österreichern nachsagte – Lass die anderen die Kriege führen – du glückliches Arenberg/Österreich: HEIRATE°.
Den Titel eines Herzogs verlieh Kaiser Ferdinand III. mitten im Dreißigjährigen Krieg dem erst 19 Jahre alten Philipp Franz von Arenberg. Er lebte damals weit entfernt von der Arenburg im fernen Spanien, wo man von Pest, Verwüstung und Not des 30jährigen Krieges nichts spürte. Er war mit einer jungen Prinzessin Boria y Doria verheiratet und war damit in eine Familie aufgenommen worden, die zu den angesehensten ihrer Zeit zählte. Der neue Herzogtitel aber war geknüpft an das kleine Arenberger Land, in dem es damals nicht friedlich zuging.
Als Begründung für die Titelverleihung führte der Kaiser vor allem die Verdienste der Familie um die Erhaltung der katholischen Religion und die Verdienste für das Reich an. Als der junge Herzog bei Kriegsende 1648 in die Heimat zurückkehrte, fand er in den Niederlanden und weniger in der Eifel seine Heimat.
Sie sehen hier eine Kopie eines Teils der wichtigen Urkunde von 1644 und ein Bildnis des 1. Herzogs von Arenberg. In direkter Nachfolge leitet heute der 13. Herzog, Seine Durchlaucht Herzog Leopold, die Geschicke der Familie, er ist heute hier unser Gast.
Die Familie erlebte im 18 Jahrhundert eine glanzvolle Zeit, sie bewohnte nicht nur ein Stadtschloss mitten in Brüssel, das heute noch steht und von der belgischen Regierung genutzt wird, sie besaß eine ganze Reihe von Schlössern, u.a. in Löwen, in Enghien, in Aarschot u.a. Ihre Paläste waren Häuser der Kunst und der Wissenschaft. Mit dieser Pracht konnte Blankenheim nicht mithalten. Trotzdem: In den erhaltenen Briefen redeten sich Graf und Herzog als „Lieber Vetter“ an, denn man war immerhin durch frühe Heiraten des 16. Jahrhunderts miteinander verwandt, allerdings nach 1540 gab es keine Eheverbindung mehr zwischen den beiden Familien.
Erst die Französische Revolution brachte grundlegende Änderungen. Der damals blinde Herzog Ludwig Engelbert musste die niederländischen Güter verlassen und floh zur Arenburg, aber er verlor – wie alle linksrheinischen Adeligen - nach der Annektion der linksrheinischen Gebiete seine Eifler Gebiete. Damals gehörten auch Kerpen, Kasselburg, Fleringen, Gillenfeld u.a. dazu- Als Ersatz erhielt er im Reichsdeputationshauptschluss die einst kirchlichen Besitzungen Recklinghausen und Meppen. Alle Bemühungen auch der Untertanen des Arenberger Landes und der Familie von Arenberg, wieder die Eifeler Besitzungen zurückzuerhalten, scheiterten auf dem Wiener Kongress. Unter anderem hielten preußische Diplomaten dem damals in Wien anwesenden jungen Herzog Prosper Louis auf dem Kongress vor, er sei ein „Erzfranzos“. Das hing damit zusammen, dass er auf der Seite Napoleons gekämpft hatte und dass er mit Stephanie Tascher de Pagerie verheiratet war, einer Nichte der französischen Kaiserin Josephine Beauharnais.
Die Arenberger waren zu einer Familie des europäischen Hochadels aufgestiegen, sie waren versippt mit französischen, flämischen, italienischen Adelsfamilien von hohem Rang. Der Besitz lag in Deutschland, in Österreich, in Italien, den Niederlanden und Frankreich. Die Familie verstand es, den Besitz zu mehren.
Es ist allgemein bekannt: – Manchmal hat ein Unglück auch positive Folgen. So erwies sich im 19. Jahrhundert das zunächst so wenig geliebte Recklinghausen als eine wahre Goldgrube, als dort die Eisenindustrie aufblühte. Nach altem Bergrecht hatten die Arenberger Anteil an geförderten Bodenschätzen, ein Recht, das bis ins 20.- Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte. –
Neue starke Bindungen nach Deutschland entwickelten sich, das prächtige Schloss Nordkirchen wurde neuer, standesgemäßer Wohnsitz in Deutschland. Die Herzogsfamilie fühlte sich sowohl in Belgien wie in Deutschland zu Hause.
Und die ehemaligen Nachbarn? Die letzte Gräfin von Blankenheim, auch sie verlor ihren Eifler Besitz- Sie zog beim Einmarsch der Revolutionsarmee nach Sternberg in Böhmen. Die Familie besteht nicht mehr, sie ist ausgestorben. Eine der letzten Prinzessinnen, Karoline von Manderscheid-Blankenheim, vermählte sich mit dem Fürsten Alois von Liechtenstein, aber diese Verbindung blieb ohne Nachkommen (Heirat 1783, + 1831).
Die alte Nachbarschaft ist endgültig erloschen, Geschichte also! Deshalb ist heute nur einer der beiden Nachbarn hier vertreten: Seine Durchlaucht Herzog Leopold, der als Chef des Hauses Arenberg den Titel eines Herzogs von Arenberg führt. Er ist der 13. in der Reihe der Herzöge. Er hat allerdings auch das Recht, sich 19. Herzog von Aerschot- 8. Herzog von Meppen und 8. Fürst von Recklinghausen zu nennen. Es sind dies Titel, die keinerlei Vorrechte mehr beinhalten. Er ist Bürger und Demokrat wie wir, aber er fühlt sich der Heimat seiner Vorfahren immer noch eng verbunden.
Ich hoffe, ich habe Ihnen damit einen sehr knappen und kurzen - aber natürlich sehr lückenhaften - Überblick über die gewiss reiche Geschichte des einstigen kleinen Nachbarn der Blankenheimer geben können. Der kleine Nachbar wurde groß, die Manderscheid-Blankenheimer sind in den Wirren der Geschichte untergegangen.
Buchvorstellung
Durchlaucht Herzog Leopold, sehr geehrter Herr Bürgermeister, verehrte Frau Beigeordnete, M.s.g.D.u.H.
Nun aber ist es endlich an der Zeit, etwas über das neue Buch zu sagen – das eigentliche Thema des heutigen Tages.
Ich möchte die Buchvorstellung mit einer ganz persönlichen Bemerkung beginnen:
Als ich vor rund 6o Jahren in Bitburg ein Baugrundstück kaufte, traf ich kurz danach meinen Onkel. Er wusste von meinem Kauf und stellte für mich überraschend eine erste Frage: „Wer wird dein Nachbar?“
Diese Frage kam mir damals äußerst seltsam vor. Nach meiner Auskunft sagte er nur: „In Ordnung! Das ist gut so.“
Das alles verstand ich erst viel, viel später. Wie wichtig der Nachbar war, das sollte ich schon beim Bau meines Hauses und dann auch später noch oft erfahren: Ich hatte Glück – der Nachbar war in Ordnung, und das war gut so.
Es ist wie so oft: Was im Kleinen gilt, das gilt auch im Großen:
„Ein guter Nachbar ist ein edel Kleinod!“, ist der Titel. Es ist dies ein Satz, den Johannes Agriciola bereits 1529 schrieb. Aber: Diesen Satz kann man auch 500 Jahre später noch zitieren, man kann ihn auf jede Nachbarschaft anwenden, zwischen Einzelpersonen, aber auch zwischen Gruppen und gar Völkern.
Wie also war es um die der Nachbarschaft Blankenheim - Arenberg bestellt?? – Um es kurz zu machen: Es war eine Nachbarschaft, die Höhen aber auch manche Tiefen erlebte.
Da geht es zunächst um das Zusammenleben und die Kontakte zwischen zwei adeligen Familien: Das waren die Arenberger bzw. seit dem 14. Jhd. die von der Marck-Arenberg – und daneben die von Blankenheim, seit dem 16. Jhd. die von Manderscheid-Blankenheim.
Die adeligen Familienmitglieder begegneten sich in der Regel in höflichem Respekt, wie es sich für Adelige geziemt. Sie besuchten sich offenbar nicht zu oft, aber aus den erhaltenen Akten spricht gegenseitige Hochachtung und Respekt.
Jede Seite achtete allerdings darauf, dass die damals wichtigen Anredeformen richtig genutzt wurden. So beanspruchte der Herzog die Anrede: „Hochfürstliche Durchlaucht“, der Graf aber NUR die Formel: „Hochgräfliche Gnaden“.
Wehe, wenn – wie einmal geschehen – bei der Anrede des Herzogs es nur „Fürstlich“ und nicht „Hochfürstlich“ auf dem Briefbogen stand. Das war der Grund für eine sehr, sehr heftige Reaktion. Und wer reagierte in einem solchen Fall?
Das war Aufgabe der Regierungsbeamten – die es auf beiden Burgen gab – darauf zu achten, dass diese äußeren Formen gewahrt blieben. Genau so wichtig war ihnen aber, dass kein Qudratzentimeter Landes verloren ging, dass also Grenzmarken respektiert wurden.. Und diese Beamten scheuten auch nicht davor zurück, die Nachbarkollegen hart anzugehen, sie bei geringsten Vorkommnissen zu beschimpfen oder zu verdächtigen. Dann wechselten böse Briefe von der einen in die andere Kanzlei. Da standen die Blankenheimer den Arenbergern in nichts nach.
So berichteten die Blankenheimer 1720 ihrem Grafen: „Die Arenberger Beamten haben nur im Sonn, Unruhe zu stiften“. Und entsetzt war man in Blankenheim, als sich zur selben Zeit herausstellte, dass ein Arenberger Spion –damals sprach man von Verräter – in der Blankenheimer Kanzlei saß, der interne Dinge den Nachbarn mitteilte. Aber dann ist für uns eines auffallend: Als die Regierungsräte ihrem Grafen Franz Gerhard das mitteilten, überhörte der Graf das einfach, er reagierte nicht. Das zeigt: Er stand über dem Gezänk seiner Beamten...
Zur selben Zeit – um 1720 - waren die Beziehungen zwischen den Kanzleien so angespannt, dass die Blankenheimer Räte sogar einen regelrechten Kriegsplan detailliert ausarbeiteten. Mit 400 mehr oder weniger gut Bewaffneten wollten sie den Arenbergern Schaden zufügen, weil diese wiederholt in Ahrdorf die Fischanlagen zerstört hatten. Aber als man dem Grafen den Plan vorlegte, winkte dieser sofort ab. Der Krieg Blankenheimer gegen Arenberger fand also nie statt.
Und die Untertanen? Sie waren es, die darunter zu leiden hatten, wenn die Nachbarschaft schwierig war und wenn die Landesherren oder die Räte sich stritten.
Auch hier gab es Zeiten, in denen es friedlich oder auch unfriedlich zuging.- .. Was nicht einfach ging, wurde nicht selten mit etwas Gewalt gelöst. So schoss ein Ahrdorfer kurzerhand mit scharfer Munition in eine Gruppe Arenberger, die sich wieder einmal an den Fischanlagen zu schaffen machten. Voller Stolz berichtete er danach zur Burg Blankenheim, man habe 100 Arenberger in die Flucht schlagen können. Überhaupt waren die Orte Ahrdorf und Rohr in besonderer Weise betroffen, wenn es zwischen Blankenheim und Arenberg wieder einmal knirschte, denn beide Orte waren Blankenheimer Orte, aber sie waren zu einem großen Teil von Arenberger Land umgeben.
Ein dritter Ort, in dem der Streit immer wieder aufflammte, war Mülheim, das vor Blankenheims Toren lag.
Warum kam es überhaupt zu Streit? Zu Streit kam es immer wieder, weil die Grenzen - vor allem in den Wäldern - nicht vermessen waren. So geschah es beispielsweise, dass zu nächtlicher Stunde die Männer aus Dorsel wiederholt in den Wald Richard kamen und Holz fällten. Die Ahrdorfer aber behaupteten, dieser Wald Richard gehöre ihnen allein. Und als eines Nachts wieder die Axthiebe und die fallenden Bäume deutlich aus dem Wald zu hören waren, rotteten die Ahrdorfer sich trotz finsterer Nacht zusammen, bewaffneten sich und rückten in den Wald, um die Nachbarn zu vertreiben. Während die jüngeren Dorseler Burschen sich rechtzeitig aus dem Staube machten, geriet einer in Ahrdorfer Gefangenschaft: Es war - und darüber staunte man nicht schlecht - Pfarrer Schmitz von Dorsel, der vielleicht etwas zu unsportlich war. Er wurde zur Burg Blankenheim gebracht, wo er seine Schuld zwar bekannte, aber gleichzeitig um Gnade bat, da er regelmäßig in Ahrdorf Beichte halte und bisher immer allen die Absolution erteilt habe.
In Mülheim, dessen Banngebiet bis zum Blankenheimer Gericht und zum Finkenberg reichte, hatte durch Jahrhunderte seine eigenen Probleme mit dem Nachbarn Blankenheim. Hier warf die eine der anderen Seite immer wieder vor, dass Grenzsteine umgeackert worden seien, dass die Wege versperrt worden seien, dass man die Weideplätze nicht beachte. Und wehe, wenn ein entsprungenes Pferd von Mülheimer auf Blankenheimer Territorium rannte, dann hatte es mit seinen Hufen Blankenheimer Boden geschändet. Das wurde teuer, sehr teuer. Und für die beiden Mülheimer Jungen, die nicht richtig auf die Pferde aufgepasst hatten, gab es eine schlimme Tracht Prügel, weil die Väter zahlen mussten. usw.
Und dann die vielen Zollstellen, deren es genug im Land gab. Und weil niemand gerne Zoll zahlen wollte, „umfuhren“ –wie man damals sagte – die Leute mit ihren Karren die Zollstellen, wo sie nur konnten. Wer aber auf solchen Schleichwegen erkannt wurde, musste damit rechnen, bei nächster Gelegenheit um so härter bestraft zu werden. Schlägereien oder auch Gefangennahmen an Zollstellen waren keine Seltenheit. Ein besonders schwieriger Ort war hier die Mühle bei Rohr, wo sowohl Arenberg als auch Blankenheim Zoll erheben wollten, und wo immer wieder der eine dem anderen den Zollstock umwarf, Der Zollstock war ein mit Wappen versehener und gekennzeichnete Pfahl oder auch eine Eisenplatte, die das Recht des Zollerhebens darstellte. Beim Einrichten neuer Zollstellen war man nicht faul, und solche Zollstellen standen plötzlich irgendwo im Land.
Wenn solch eine neue Zollstelle unangekündigt eingerichtet wurde, konnte das zu großen Problemen führen. Das erfuhr auch der Fahrer des sogenannten Arenberger Postkarren, der wöchentlich 2 x nach Köln fuhr.. Er wurde verhaftet und mit seiner Kutsche einfach nach Blankenheim gebracht, wo man alles versteigern wollte, was sich in der Kutsche befand.. Solches aber ließen sich dann wieder die Arenberger nicht gefallen, sie klagten am höchsten Reichsgericht gegen die Blankenheimer.
Übrigens mit Klageerhebung war man nicht sparsam. Umfangreiche Reichskammergerichtsakten zum Streit der Nachbarn gibt’s. Die kurioseste ist vielleicht ein Prozess um Scheuern bei Gerolstein, wo es Arenberger neben Blankenheimer Untertanen im selben Dorf gab und wo die einen von den andern Zoll verlangten, wenn sie über ihr TERRITORIUM gingen oder fuhren, um einen Sack Getreide zur nahen Mühle zu bringen.
Ein letztes Problem, das zwischen den Blankenheimern und Arenbergern immer wieder erwähnt wird, will ich hier in einem besonders kuriosen Fall ansprechen. Es ging um die Frage: WER HAT DEN VORTRITT VOR DEM ANDERN? In diesem Zusammenhang folgende Begebenheit: Vom Schäfer in Freilingen verlangte man schier Unmögliches: Er hatte in seiner Herde Schafe zu hüten, die verschiedenen Besitzern gehörten. Da gab es Schafe von Freilinger, also Arenberger Bauern, und Schafe, die dem Grafen von Blankenheim gehörten (vom sogenannten Freilinger Hof). Nach viel Streit und Zwist stellte man dem Hirten folgende Aufgabe: Beim Austrieb der Herde hatte er darauf zu achten, dass nicht die einen Schafe vor den anderen liefen, alle mussten nebeneinander herlaufen. Kein Schaf durfte ein Vorrecht vor einem anderen Tier haben! Also: Ein Abbild es Alltags der Adeligen bzw. der verschiedenen Untertanen – für jeden sichtbar in der Freilinger Schafherde.
Ich will hier nicht alle Episoden oder Kuriositäten wiedergeben, die bei der Untersuchung der Nachbarschaft Arenberg – Blankenheim ans Tageslicht kamen.
Nicht verschweigen aber darf man, dass die Untertanen manches ertragen mussten, das uns heute hart und unbarmherzig erscheint. Nur ein Beispiel dazu sei noch erwähnt. Im 16. Jahrhundert gab es eine kurze Zeit, in der die beiden Adelshäuser wenig freundlich miteinander umgingen. Ein Blankenheimer Mann, Ulrich Schuler, wurde damals auf der Arenburg bezichtigt, ein Verräter zu sein. Er wurde verurteilt und in grausamer Form gevierteilt, also sein Leib wurde in 4 Teile auseinandergerissen. Graf Robert von Arenberg ließ dann ein Viertel des Toten in Sichtweite der Blankenheimer Burg aufhängen, so dass man vom Burgfenster aus den scheußlichen Anblick haben solle.
Zusammenfassend will ich festhalten: Vieles von dem, was hier geschildert wird, mag uns heute zum Schmunzeln oder zum Kopfschütteln bringen, wir sollten bedenken, dass dies für Zeitgenossen allzu oft bitterer Alltag und bitterer Ernst war.
Zum guten Schluss aber darf man heute getrost feststellen: Die alten Nicklichkeiten und Streitereien, die es einst zwischen einzelnen Dörfern des Arenberger und Blankenheimer Landes gab, sind heute nur noch Geschichte.
ZUM SCHLUSS EIN WORT ZU DEN QUELLENE
MANCHE Quelle, die MAN ALS HISTORIKER SUCHT, ist NICHT mehr auffindbar.. Untergegangen in den Wirren der Zeit – so heißt es dann. So auch hier: Untergegangen ist vieles, denn gerade die Streitigkeiten auf unterster Ebene waren den Archivaren es nicht wert, aufbewahrt zu werden.
Manche Quelle bleibt verborgen – vielleicht gab es sie auch nie.. –Untergegangen ist offenbar eine Berufs- und Personenzählung für Blankenheim – so wie wir so schön für Arenberg haben 1780/90 . Es gibt also immer Lücken, mit denen man fertig werden muss.
TROTZDEM, Schluss jetzt: Ich wünsche dem Buch, das mein letztes in der langen Reihe meiner Arenberger Veröffentlichungen sein wird – eine gute Aufnahme.